Wir haben mit dem NEOS Bildungssprecher Matthias Strolz über seine Kritik an der Bildungsreform, die Kardinalfehler unseres Bildungssystems und seine Forderung nach freier Schulwahl ohne Schulgeld gesprochen. Strolz war vor seinem Politikwechsel als Unternehmensberater, Trainer und Moderator erfolgreich und gründete zwei Unternehmen.

Matthias StrolzMatthias Strolz, Vorsitzender und Bildungssprecher der NEOs, sowie Vater dreier Kinder

SPÖ, ÖVP und Grüne haben ein Schulautonomiepaket beschlossen, das just jene Schulen, die seit Jahrzehnten Schulautonomie leben, eklatant benachteiligt und leer ausgehen lässt. NEOS hat die Bildungsreform nicht mitbeschlossen, wo liegen Ihre Hauptkritikpunkte?

Strolz: Natürlich zählte auch die bereits in der Frage angesprochene Verlängerung der Ungerechtigkeit gegenüber Schulen in freier Trägerschaft zu den Gründen, weshalb wir die Bildungsreform nicht mitbeschlossen haben. Unser größter Schmerzpunkt bei der Reform war aber die Neugestaltung der Behördenstruktur: Kompetenz Wirr-Warr und politische Einflussnahme bleiben weiter aufrecht, konkret bei folgenden Punkten:

  • Die Landeshauptleute können sich quasi selbst zum Präsidenten/zur Präsidentin der Bildungsdirektion zu ernennen. Das lehnen wir jedenfalls ab: Die Funktion dieses Präsidenten dient ganz offensichtlich nur der politischen Einflussnahme. Damit wird die parteipolitische Einflussnahme auf das Schulsystem gesetzlich verankert. Die mächtigsten Personen in der Bildungsverwaltung des Landes sind bzw. bleiben damit die Landeshauptleute.
  • „Der Kompetenz Wirr-Warr“ wird nun mit der Bildungsdirektion als Zwitterbehörde mit zwei sachlichen Oberbehörden und unterschiedlichen Weisungszusammenhängen gesetzlich festgeschrieben. Hier sichern sich die Landeshauptleute weiterhin den Zugriff auf unser Schulsystem über die Bande. Den Empfehlungen des Rechnungshofs und vieler Expert_innen wird damit in keiner Weise Rechnung getragen.

In Deutschland haben sich die Waldorfschulen stärker an das öffentliche Schulsystem angenähert, im Gegenzug ist deren finanzielle Situation gesichert. Würden Sie diesen Weg freien Schulen und ihren Dachverbänden auch in Österreich empfehlen?

Strolz: Wenn es ein dahingehendes Angebot der Regierung gäbe, sollte man sich das zumindest einmal anschauen. Eine Empfehlung, diesen Weg auch wirklich zu gehen, kann das aber nicht sein, da zu viel davon abhängt, wie so eine Annäherung im Detail ausschauen soll.

Wir plädieren dafür, dass der Staat Qualitätsstandards und Ziele vorgibt und die Wege dorthin den Schulen überlässt. Was halten Sie davon?

Strolz: Das sehe ich ganz ähnlich. Wir fordern die „Mittlere Reife“ als gemeinsames Ziel am Ende der Schulpflicht. Die Wege dorthin sollen aber so vielfältig sein, wie die Talente unserer Kinder.

Wie sieht für Sie als Bildungssprecher und Vater dreier Kinder die ideale Schule aus?

Strolz: Wie schon oben gesagt – die ideale Schule ist vielfältig. Alle Kinder, so auch meine, haben ganz unterschiedliche Talente und Bedürfnisse. Eine gute Schule erkennt diese und fördert sie bestmöglich und möglichst individuell.

Welche drei Kardinalfehler hat unser Bildungssystem?

Strolz:

-          Die Parteipolitik hat immer noch Zugriff auf unser Schulsystem.

-          Wir unterliegen einer Steuerungsillusion und versuchen alle Eventualitäten bis ins kleinste Detail zu reglementieren. Zudem ist die Schule immer noch defizitorientiert und es herrscht eine Misstrauenskultur.

-          Die Lehrer_innen werden nicht ausreichend in ihrem Professionsverständnis gestärkt.

Es gibt einen Run auf Privatschulen, weil das System nicht funktioniert, weil staatliche Schulen alle Probleme der Gesellschaft alleine lösen müssen. Welchen Beitrag könnten die Schulen in freier Trägerschaft hier noch stärker leisten?

Strolz: Privatschulen sollen genau das machen, was sie jetzt auch schon tun. Sie müssen aber als Motor für Innovation im Schulsystem endlich ernst genommen und gestärkt werden. Daher treten wir in einem ersten Schritt für die finanzielle Gleichstellung freier Schulen mit konfessionellen Privatschulen ein. Langfristig fordern wir die Umstellung der Finanzierung auf eine subjektorientierte Logik gekoppelt mit einer Indexbasierung, die für alle Schulen gelten soll. Also: Das Geld soll den Schüler_innen folgen. Eine Schule, die öffentliches Geld nimmt, muss sich zur Gemeinnützigkeit verpflichten. So erfüllen wir das Motto „Freie Schulwahl ohne Schulgeld“ mit Leben.

Wir danken für das Gespräch!